Begegnung mit Marieluise Fleißer aus Ingolstadt

Ausstellung im Gedenkjahr: „Vom jungen Star zum Star der Jungen“

Sie betrachtet die Menschen in der Fußgängerzone, unbeweglich und konzentriert, vor dem ehemaligen Geschäft ihres Ehemannes Bepp Haindl, heute „Café Segafredo“.
Junge Leute aus dem Apian-Gymnasium, Q 11, Deutschkurs 1, sind erstaunt: Wie oft sind sie hier schon vorbeigegangen und haben sie übersehen, „die Fleißer“, den einzigen literarischen „Star“, den die Stadt Ingolstadt im 20.Jahrhundert zu bieten hat?

Begegnung mit Marieluise Fleißer aus Ingolstadt

Heute soll es zu einer ersten Begegnung kommen, am Ende des Gedenkjahres 2014,
40 Jahre nach ihrem Tod am 2.Februar 1974.
Zuerst also der Blick auf die Skulptur, geschaffen 2011 von der Kieler Künstlerin und Professorin Elisabeth Wagner im Auftrag der „Marieluise Fleißer Gesellschaft“, und sie sollte sozusagen „mitten im Volk“ stehen, leicht erhöht, wie im Atelier, also gleichsam noch „in Bearbeitung“.

Begegnung mit Marieluise Fleißer aus Ingolstadt

Und dann die Ausstellung im Fleißerhaus, in der Kupferstraße.
Ein guter Einblick und Überblick wird gegeben, entwickelt und konzipiert von der Kuratorin Dr. Martina Neumeyer, und das Thema ist brisant und interessant: Eine junge Frau aus der Provinz, aus Ingolstadt, macht sich auf in die Metropole, nach Berlin, in den 20er Jahren, und sie wird bekannt und ist anerkannt, geht ihren Weg als Künstlerin, als freie Schriftstellerin.
Ihre Erzählungen erscheinen in großen und angesehenen Zeitungen und Zeitschriften, ihre Dramen „Fegefeuer in Ingolstadt“ und „Pioniere in Ingolstadt“ werden aufgeführt, diskutiert und rezensiert, und es kommt sogar zum berüchtigten „Skandal“ um die Aufführung der „Pioniere“, bei der Bert Brecht entscheidend mitmischt: Er möchte die junge Autorin aus Ingolstadt „nützen“, für die Entwicklung seiner eigenen neuen Dramenform, des „epischen Theaters“.

Dann der Einbruch, eine verkorkste Beziehung, Rückkehr nach Ingolstadt, 1935 die Heirat mit Bepp Haindl, dem Jugendfreund, es ist die Nazizeit, literarische Arbeit ist kaum möglich. Die Fleißer scheint vergessen. Aber nach dem Krieg, in den 60er Jahren, entdecken sie junge Künstler und Schriftsteller als ihr großes Vorbild, Rainer Werner Fassbinder, Franz Xaver Kroetz, Martin Sperr, die gesellschaftskritischen „jungen Wilden“. Sie wird ihr Star, der „Star der Jungen“.
Die jungen Leute heute aus dem Apian arbeiten ihre Aufträge ab, entdecken Neues, finden vielleicht einen ersten Zugang zum Menschen und zur Schriftstellerin Marieluise Fleißer.

Begegnung mit Marieluise Fleißer aus Ingolstadt
Begegnung mit Marieluise Fleißer aus Ingolstadt
Begegnung mit Marieluise Fleißer aus Ingolstadt

Einige formulieren auch ihre Gedanken zu Person und Arbeitsweise der Fleißer:

„Meiner Meinung nach warMarieluise Fleißer eine sehr starke Frau und eine starke Persönlichkeit, weil ich mir sicher bin, dass viele andere Frauen in ihrer Zeit nach all den Rückschlägen aufgegeben hätten.“ (Ilham Bouabid)

„Sie hat in ihren Büchern ihre eigenen Gedanken und ihre eigene Meinung wiedergegeben, ohne sich von anderen beeinflussen zu lassen. An ihrem Erscheinungsbild kann man das auch sehen: Sie hatte kurze Haare und hat öfters einen langen Mantel getragen, was für die damalige Zeit nicht üblich bei Frauen war. Für uns sind Schriftsteller, die sich nichts sagen lassen wollen, wichtig, da wir dadurch auch lernen, eine eigene Meinung zu bilden.“
(Marta Królicka)

„Ich finde, SCHREIBEN ist eine Art Therapie, ein Zugang zu sich selbst. Seine Probleme und Ängste zu Papier zu bringen, kann entlasten. Ich persönlich bin z.B. ein Fan von Tagebüchern, da ich hier frei und kreativ über alles Mögliche schreiben kann.“
(Emine Fidan)

„Der Satz „Ich muss schreiben“ lässt auf eine große Motivation schließen, seine Gedanken, Kritik und auch Geschichten zu Papier zu bringen. Das passt gut zu Marieluise Fleißer, die sich nicht von Kritik und Anfeindungen oder durch die sicher anstrengende Arbeit in einem Rüstungsbetrieb während des Zweiten Weltkrieges vom Schreiben abhalten ließ.“

(Moritz Gröber)

Es bietet sich hier auch die letzte Gelegenheit, das Fleißerhaus mit der authentischen Schmiedewerkstatt des Fleißervaters zu erleben, denn ab 2015 wird das denkmalgeschützte Haus in der Kupferstraße für mehrere Jahre die Pforten schließen, wegen Renovierung, Umbau, Neukonzeption.

Andreas Betz, StD

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